Bausparvertrag wegen reiner Zinserzielung gekündigt
Urteil des OLG Hamm – Az. 31 U 191/15
Bausparverträge werden in Deutschland seit einigen Jahren immer weniger genutzt. Kein Wunder: Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank macht es heutzutage kaum noch Sinn, auf einen klassischen Bausparvertrag zu setzen.
Doch nicht jeder ist dieser Ansicht, wie ein kürzlich vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelter Fall eindrucksvoll zeigt (1). Es ging um die Frage, ob ein bereits seit Jahren bestehender Bausparvertrag, den der Bausparer trotzdem weiter bespart, von der Bausparkasse gekündigt werden kann. Schließlich kann die Bausparkasse damit den vereinbarten Zinsen entgehen.
Bausparer fordert Bauspardarlehen nicht ab
Folgender Sachverhalt lag der Gerichtsverhandlung vor dem OLG Hamm zu Grunde: Der Kläger hatte bereits im Jahr 1991 einen Bausparvertrag mit einer bekannten Bausparkasse in Deutschland abgeschlossen. Die Bausparsumme betrug 44.000 DM, was heute knapp 22.500 € entspricht.
Im Bausparvertrag war zudem festgelegt, dass das durch den Kläger angesparte Guthaben pro Jahr mit insgesamt 3 Prozent verzinst wird. Zusätzlich verankerte man eine Klausel im Vertrag, nach der die Bausparkasse diesen nicht kündigen darf, solange der Vertragsnehmer seinen Pflichten nachkommt.
Gegen Ende des Jahres 1997 war dann der vereinbarte Teil der Bausparsumme angespart, so dass der Bausparvertrag als zuteilungsreif galt. Der Bausparer nahm jedoch in den Folgejahren kein entsprechendes Bauspardarlehen in Anspruch.
Bausparkasse kündigt den Vertrag
Das Ganze zog sich unverändert weiter hin bis zum Ende des Jahres 2014. Zu diesem Zeitpunkt kündigte die Bausparkasse den Vertrag zum 30.06.2015 trotz Erfüllung aller Pflichten durch den Bausparer.
In der Begründung der Kündigung, die laut Vertrag eigentlich nicht hätte stattfinden dürfen, berief sich die Bausparkasse auf Paragraph 489 BGB (2). Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift, die vorsieht, dass ein Darlehensvertrag mit einem festen Sollzinssatz nach Ablauf von mindestens zehn Jahren in jedem Fall wird durch den Darlehensnehmer mit einer sechsmonatigen Frist gekündigt werden kann.
In den folgenden Gesprächen konnte sich der Bausparer mit seiner Bausparkasse nicht einigen und war auch nicht dazu bereit, die ausgesprochene Kündigung hinzunehmen. Daher verklagte er die Bausparkasse, um die Unrechtmäßigkeit der Kündigung des Bausparvertrages auch gerichtlich feststellen zu lassen.
Der Fall wurde schließlich vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelt. Hier folgten die Richter den Ausführungen der Bausparkasse und wiesen die Klage des Bausparers ab. Somit sei die Kündigung durch die Bausparkasse zum 30.06.2015 wirksam.
BGH bestätigt Kündigungsrecht der Bausparkassen
Update vom Februar 2017: Der Bundesgerichtshof hat in letzter Instanz entschieden, dass Bausparkassen ein Kündigungsrecht haben, wenn Bausparverträge seit zehn Jahren zuteilungsreif sind und die verankerten Bauspardarlehen von ihren Kunden nicht in Anspruch genommen werden.
Die Bausparkassen verzweifelten an den Lasten der hochverzinsten Altverträge und kamen mitunter auf verstörende Ideen, um diese Lasten loszuwerden. Es wurde lange und ausgiebig diskutiert, gestritten und von Gerichten ganz unterschiedlich geurteilt. Im Februar schuf der BGH dann Rechtssicherheit. Alle Hintergründe, Argumente und interessante Links zum Thema finden Sie in unserem Ratgeber „Wenn die Bausparkasse kündigt„.
Bausparkasse ist Darlehensnehmer und hat Kündigungsrecht nach BGB
In der Begründung des Urteils bezog sich das Gericht ebenfalls auf den benannten Paragraph 489 BGB. Nach dieser Klausel stehe dem Darlehensnehmer ein entsprechendes Kündigungsrecht nach Ablauf von zehn Jahren mit festgelegtem Zinssatz zu.
Das Besondere beim Abschluss eines Bausparvertrages sei jedoch, dass Bausparkasse und Bausparer mit der Inanspruchnahme des Baudarlehens die Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen.
Somit sei in der Ansparphase die Bausparkasse die Darlehensnehmerin. Daher stünde der Kasse in dieser Funktion auch das Recht zur Kündigung des Bausparvertrages zu.
Damit seien alle Voraussetzungen zur Anwendung des § 489 BGB gegeben. Der entsprechende Bausparvertrag sei unter Einhaltung der gesetzlich geforderten Frist gekündigt worden und habe einen festen Sollzinssatz enthalten.
Die Richter führten weiter aus, dass die entsprechende Klausel im BGB dazu vorgesehen sei, einen Interessenausgleich zu schaffen und den Darlehensnehmer vor der überlangen Bindung an einen festen Zinssatz zu schützen. Da die Rollen hier jedoch vertauscht seien und die Bausparkasse den Darlehensnehmer darstelle, stehe ihr dieses Recht genauso zu.
In diesem Zusammenhang, so das Gericht weiter, sei es wichtig zu betonen, dass die im Vertrag festgelegten Bausparbedingungen nicht über das gesetzliche Kündigungsrecht in Deutschland gestellt werden dürfen. Die gesetzlichen Bestimmungen seien als zwingendes Recht anzusehen und hätten somit automatisch Vorrang.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen – Urteil des OLG Hamm zur Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse
(2) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 489 Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(3) Bundesgerichtshof – Pressemitteilung zum Urteil über das Kündigungsrecht der Bausparkassen bei zuteilungsreifen Bausparverträgen