Gesetzlicher Zinssatz in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat nicht verfassungswidrig
Urteil des Bundesfinanzhof – Az. IX R 31/13
Darf der deutsche Staat für Zahlungen – beispielsweise im Bereich der Einkommensteuer – nachträglich über einen Zeitraum von mehreren Jahren Zinsen in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat erheben? Kumuliert handelt es sich dabei um einen Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr – davon können Kapitalanleger derzeit nur träumen.
In dem hier vorliegenden und vor dem Bundesfinanzhof verhandelten Fall ging es jedoch nicht um eine Kapitalanlage, sondern um die nachträglichen Zinszahlungen eines Steuerpflichtigen für die Jahre 2004 bis 2011 (1). Der Fall stellt sich wie folgt dar:
Streit um Einkommensteuerbescheid zieht sich Jahre hin
Der Kläger erhielt im Oktober 2004 für das Jahr 2002 einen Einkommensteuerbescheid, in dem unter anderem der Gewinn aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung versteuert wurde. Mit dieser Versteuerung erklärte sich der Kläger jedoch nicht einverstanden, da seiner Meinung nach der Veräußerungsgewinn zumindest teilweise steuerfrei war.
Durch den entsprechenden Einspruch wurde der Einkommensteuerbescheid ab 2004 von der Vollziehung ausgesetzt. Der daraufhin folgende Rechtsstreit ging durch alle Instanzen bis vor das Bundesverfassungsgericht, was insgesamt ca. sechs Jahre in Anspruch nahm.
Im Juli 2010 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Verlängerung der Spekulationsfrist zum Teil verfassungswidrig ist. Somit hatte der Kläger zumindest teilweise sein Ziel erreicht. Der Einkommensteuerbescheid wurde geändert, der Gewinn aus dem Verkauf der Eigentumswohnung ist nun amtlich zumindest teilweise steuerfrei.
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Teilerfolg bedeutet Pflicht zur Nachversteuerung und Zahlung von Verzugszinsen
Allerdings ist „teilweise“ hier das entscheidende Stichwort. Dieses impliziert auch, dass der Kläger einen gewissen Anteil des Veräußerungsgewinns sehr wohl versteuern muss, und zwar ab dem Zeitpunkt der Aussetzung des Einkommensteuerbescheides – also ab dem Jahr 2004.
Für den langen Zeitraum von 2004 bis zur Urteilssprechung in dem genannten Prozess im Jahr 2011 sollte der Kläger nun nicht nur den angesprochenen Teil des Veräußerungsgewinns in Form von Steuern zahlen, sondern darauf auch die entsprechenden Zinsen, welche mit 0,5 Prozent pro Monat angesetzt wurden (2). Daraus ergab sich ein nicht unerheblicher Zinsbetrag von über 6.000 Euro.
Diesen wiederum hielt der Kläger für verfassungswidrig und klagte daher vor dem zuständigen Finanzgericht. Hier folgten die Richter der Vorgehensweise des Staates und sahen keine Verfassungswidrigkeit in dem errechneten Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat.
Hintergrund der Verzinsung von strittigen Steuerschulden ist der Gedanke, dass ein Steuerschuldner einen Vorteil aus der Summe zieht, die eigentlich dem Staat zusteht. Die Verzinsung wirkt somit als Kompensation, analog zum Grundgedanken des Verzugszinses.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigt den Zinssatz von 0,5 Prozent laut Abgabenordnung:
„Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt hat, ist dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar.“ (3)
Verzugszinsen mussten sich nicht an Marktgegebenheiten anpassen
Dies wollte der Kläger jedoch nicht hinnehmen und strebte eine Revision an. Der Fall ging schließlich durch alle Instanzen und abschließend vor den Bundesfinanzhof. Dieser prüfte die Voraussetzungen für eine Vorlage des Falles beim Bundesverfassungsgericht, verneinte diese jedoch.
Insbesondere stellten die Richter fest, dass der Gesetzgeber im Zeitraum bis Anfang 2011 nicht dazu verpflichtet gewesen sei, den Zinssatz von 0,5 Prozent im Monat an das niedrigere Marktzinsniveau für Kapitalanlagen anzupassen.
Grundsätzlich könne dieser Zinssatz nicht mit den marktüblichen Anlagezinsen verglichen werden, so stellten die Richter fest. Ungeachtet davon hätten sich die Marktzinsen für Kapitalanlagen erst nach dem genannten Zeitraum auf einem dauerhaft niedrigen Niveau stabilisiert.
Aus diesem Grund verneinten die Richter die Vorlage des Falles am Bundesverfassungsgericht, so dass das Urteil des Bundesfinanzhofs in diesem Fall abschließend ist. Der Steuerpflichtige muss also die genannten Zinsen in voller Höhe zahlen.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesfinanzhof – Urteil des Bundesfinanzhof zur Verzinsung von Steuerausständen
(2) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Abgabenordnung (AO), § 238 Höhe und Berechnung der Zinsen
(3) Bundesverfassungsgericht – Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen