Kein Amtshaftungsanspruch bei unwirksamer Mietenbegrenzungsverordnung
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2021, Az. Ⅲ ZR 25/20
Der Bundesgerichtshof hat am 28.01.2021 entschieden, dass Bundesländer nicht für unwirksame Mietenbegrenzungsverordnungen haften und damit nicht verpflichtet sind die von den fehlerhaften Verordnungen betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu entschädigen.
- Seit Juni 2015 können „Gebiete mit angespannten Wohnungsmarkt“ von den Landesregierungen in sogenannten Mietbegrenzungsverordnungen festgelegt werden
- Ausnahmen gibt es für neu gebaute oder umfassend modernisierte Wohnungen
- Mittels dieser Mietpreisbremse soll den ständig ansteigenden Mietpreisen in Ballungsräumen entgegen getreten werden
- In einigen Bundesländern wurden die entsprechenden Verordnungen nicht ausreichend begründet und daher für unwirksam erklärt. Sie mussten neu erlassen werden, zum Nachteil der Mieter, die in dieser Zeit einen Mietvertrag unterschrieben haben
- Davon betroffen sind Mieter in Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz, Hessen, Brandenburg und Niedersachsen
- Der BGH urteilte nun, dass bei fehlerhaft erlassenen Verordnungen kein Schadensersatz aus einem Amtshaftungsanspruch gegen das betreffende Bundesland besteht
- Ein Amtshaftungsanspruch setze voraus, dass zwischen der Amtspflicht und dem Geschädigten eine besondere Beziehung bestehe. Das sei bei Gesetzen und Verordnungen nicht der Fall, da diese der Allgemeinheit dienen.
Sachverhalt
Ein Ehepaar mietete 2017 eine Wohnung in Frankfurt am Main an. Der Standort der Wohnung war in der Mietenbegrenzungsverordnung als Gebiet mit angespannten Wohnungsmarkt gemäß des §556d Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) festgeschrieben. Mit einer gültigen Mietpreisbremsen-Verordnung wäre die erlaubte Miete für die angemietete 67-Quadratmeter-Wohnung um mehr als 200 Euro monatlich gesunken.
Die Mietpreisbremse für das Land Hessen wurde jedoch vom Bundesgerichtshof im Jahr 2019 (Az. Ⅷ ZR 130/18) wegen des Verstoßes gegen die in §556d Absatz 2 Satz 5 bis 7 BGB ausdrücklich vorgeschriebene Begründungspflicht für unwirksam erklärt.
Gerichtlich vertreten wurden die Mieter von dem Rechtsdienstleister Conny (ehemals wenigermiete.de). In einem Vorprozess verklagte das Ehepaar die Vermieterin auf Rückzahlung der überhöhten Miete, was sie mithilfe der Mietenbegrenzungsverordnung begründeten. Die Klage wurde jedoch mit der Argumentation abgewiesen, dass die damalige hessische Mietpreisverordnung keine Gültigkeit mehr besitzt. Das Paar konnte sich somit nicht auf die Mietpreisbremse berufen.
Sie verklagten sodann das Land Hessen auf Schadensersatz. Als Schaden legten sie dar, dass bei einer gültigen Verordnung ein Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieterin bestanden hätte. Durch den Erlass einer fehlerbehafteten Verordnung habe das Land Hessen eine Amtspflicht gegenüber den Mietern verletzt. Die Kläger halten daher einen Amtshaftungsanspruch nach §839 BGB gegen das Land Hessen für gegeben.
Die Klage blieb in beiden vorherigen Instanzen – am Landgericht Frankfurt am Main und am Oberlandesgericht Frankfurt am Main – erfolglos. (2)
Urteil des BGH
Der Bundesgerichtshof begründete die Ablehnung eines Amtshaftungsanspruches damit, dass die hessische Mietenbegrenzungsverordnung kein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz darstelle. Für einen Amtshaftungsanspruch benötige es eine besondere Beziehung zwischen der Amtspflicht und dem Geschädigten (sogenannte Drittbezogenheit). (1)
Die Mietbegrenzungsverordnung richte sich nicht direkt an einzeln identifizierbare Mieter und Vermieter, sondern gelte für einen unüberschaubar großen, nicht individuell bestimmbaren Personenkreis. Der Zweck der Verordnung sei es die Interessen der Allgemeinheit zu wahren und nicht bestimmte Einzelne zu schützen. Die erforderliche besondere Beziehung (Drittbezogenheit) zu den Geschädigten fehle bei einer generellen und abstrakten Regelung wie dieser.
Daran ändere auch eine möglicherweise verletzte Grundrechtsposition nichts. Offen ließen die Richter, ob eine solche überhaupt verletzt wurde. In der Urteilsbegründung heißt es: Nicht jede Grundrechtsbeeinträchtigung führt zu einer Staatshaftung. Der Gesetzgeber habe bereits in §839 BGB die strengen Voraussetzungen für einen Anspruch bei Verletzung staatlicher Pflichten gegenüber Dritten ausgestaltet. Diese Drittbezogenheit komme hier eben nicht zur Anwendung. Würde man bei jeder Verletzung subjektiver Rechte auch die Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht bejahen, würde der §839 BGB mit seinem einschränkenden Erfordernis des „Dritten“ leerlaufen und wäre im Ergebnis sinnlos.
Die Kläger können sich auch nicht auf einen Amtshaftungsanspruch wegen enttäuschten Vertrauens auf Gültigkeit der Verordnung berufen, da die Rechtsprechung des BGH solch einen allgemeinen Anspruch auf Entschädigung nicht anerkenne. (3) Dazu wäre auch eine Drittbezogenheit nötig. Diese entfalle hier aber ebenfalls aufgrund der abstrakten Gestaltung des Gesetzes.
Bedeutung für Mieter
Mit diesem Urteil bleibt der BGH seiner bisherigen Rechtsprechung im Umgang mit Amtshaftungsansprüchen treu.
Ein Urteil zugunsten der Kläger hätte eine Grundsatzentscheidung sein können, die betroffenen Mietern in allen acht Bundesländern – in denen die Mietpreisbremsen-Verordnung gekippt wurde – zu Gute gekommen wäre. Die Entschädigungen, die dann möglich gewesen wären, bewegen sich in der Summe im Milliardenbetrag.
Allerdings wollen die Kläger eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch nicht ausschließen.
Quellen und weiterführende Links
(1) Der Bundesgerichtshof – Keine Amtshaftung wegen unwirksamer Mietenbegrenzungsverordnung
(2) Bundesgerichtshof – Staat haftet nicht für fehlerhafte Mietpreisbremse (lto.de)
(3) Legal Tribune Online – Keine Amtshaftung wegen unwirksamer Mietpreisbremse (beck.de)