Kündigung des Mietvertrags wegen Eigenbedarfs
Der Bundesgerichtshof (BGH) legt bei Kündigung wegen Eigenbedarfs ganz unterschiedliche Maßstäbe zugrunde. Das bedeutet nicht, dass die Karlsruher Richter einen Schlingerkurs fahren. Vielmehr verlangen sie eine sehr differenzierte Betrachtungsweise der Vorinstanzen, wie die verschiedenen Urteile zum Thema auf dieser Seite zeigen. Dabei liegen jeweils unterschiedliche Sachverhalte zugrunde.
- Der BGH hält pauschale Urteile bei Eigenbedarfskündigungen für unzulässig.
- Insbesondere bei Erkrankungen der Mieter ist eine individuelle Prüfung des Sachverhaltes notwendig.
- Liegt ein ärztliches Attest vor, muss außerdem ein amtliches Gutachten erstellt werden.
- Eigenbedarf ist auch zulässig, wenn dieser bei Abschluss eines neuen Mietvertrages bereits bekannt beziehungsweise optional war.
Kündigung des Mietvertrags durch GbR
Im Dezember 2016 urteilten die Richter, dass eine Kündigung durch eine GbR rechtens ist, auch wenn diese eine Wohnung für einen späteren Verkauf sanieren möchte (BGH VIII ZR 232/15) (1). Die Räumungsklage war in erster Instanz vom Amtsgericht München abgewiesen worden, da der Vermieter es versäumte, dem Mieter eine andere leerstehende Wohnung im Haus anzubieten. Darüber hinaus kam das Gericht zu dem Schluss, dass eine GbR grundsätzlich keinen Eigenbedarf anmelden könne (Landgericht München, AZ 14 S 2969/15) (2).
Das Urteil des BGH wurde vom Deutschen Mieterbund scharf kritisiert, da es der Eigenbedarfskündigung Tür und Tor öffne (3).
Späterer Eigenbedarf schon bei Abschluss des Mietvertrags bekannt
In einem anderen Urteil ging es darum, ob eine Eigenbedarfskündigung auch zulässig ist, wenn der Vermieter schon bei Abschluss des Mietvertrages wusste, dass es zu einer zeitnahen Kündigung kommt (Az. VIII ZR 154/14) (4).
Im April 2011 schloss der Vermieter mit einem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag. Im Februar 2013 meldete der Vermieter Eigenbedarf an und kündigte die Wohnung. Seine Tochter sollte dort im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums einziehen. Der Mieter klagte dagegen mit der Begründung, der mögliche Eigenbedarf sei dem Vermieter bereits bekannt gewesen und von diesem verschwiegen worden. Das Landgericht Mannheim wies die Räumungsklage des Vermieters ab, da es dem Vermieter Rechtsmissbrauch vorhielt.
Der BGH stellte sich dagegen auf die Seite des Vermieters. Auch ein unbefristeter Mietvertrag schützt den Mieter nicht vor Eigenbedarf. Würde dies eine Kündigung generell ausschließen, würde dieser Sachverhalt in den Augen der Richter einen Eingriff in das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf freie Verwendung des Eigentums bedeuten. Mit dem Urteil gab der BGH dem Vermieter jedoch keinen Freifahrtschein, sondern verwies den Fall zurück an das Landgericht Mannheim mit der Vorgabe, eine Härtefallprüfung vorzunehmen.
Eigenbedarfskündigung ohne weitreichende Erklärungen
Das dritte Beispiel für juristische Feinheiten bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs bezieht sich auf den Umfang der für die Kündigung vorliegenden Erklärung. Gemäß Paragraf 573 Abs. 3 BGB muss der Vermieter bei einer Eigenbedarfskündigung dem Mieter eine ausreichende Begründung für die Kündigung liefern (5).
Im vorliegenden Fall meldete der Vermieter einer 160 Quadratmeter großen Wohnung nach 13 Jahren Mietdauer Eigenbedarf an. Die Begründung lautete, dass seine Tochter, die bislang in einer 80 Quadratmeter großen Wohnung lebte, mit ihrem Lebensgefährten einen gemeinsamen Hausstand gründen wolle.
Das zuständige Landgericht lehnte die Räumungsklage zunächst ab, der BGH gab dem Vermieter jedoch Recht (Az. VIII ZR 284/13). Die Begründung der Kündigung mit der namentlichen Benennung der eigenen Tochter als künftiger Nutzerin der Wohnung war in den Augen des achten Senats völlig ausreichend, eine namentliche Nennung des Lebensgefährten sei nicht notwendig.
Sowohl die Ausführung, dass die Tochter einen gemeinsamen Hausstand gründen wolle, als auch ihre namentliche Nennung waren gemäß Paragraf 573 Abs. 3 BGB ausreichend. Die Begründung für den Eigenbedarf soll es dem Mieter ermöglichen, diesen juristisch auf Stichhaltigkeit prüfen zu lassen. Der Vermieter darf wiederum bei einer laufenden Prüfung den Grund für den Eigenbedarf nicht mehr ändern.
Eigenbedarfskündigung muss medizinische Härten berücksichtigen
Ein weiteres Kriterium, welches Widerspruch gegen eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigt, ist ein medizinischer Härtefall auf Seiten des Mieters. Mit diesem Umstand musste sich der BGH gleich zweimal befassen. Das Grundgesetz sieht auf der einen Seite den Schutz des Eigentums. Auf der anderen Seite haben die Bürger aber auch das verfassungsmäßige Recht auf körperliche Unversehrtheit. Vor diesem Hintergrund kommt dem Thema „medizinische Härte“ besonderes Gewicht zu, weshalb wir an dieser Stelle zwei Urteile beispielhaft aufführen. In beiden Fällen musste der für Wohnrecht zuständige VIII. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) entscheiden, ob eine Eigenbedarfskündigung aufgrund unzumutbarer Härte für den Mieter rechtmäßig sei (6).
Berlin (AZ VIII ZR 180/18)
Im ersten Fall wurde einer 82 Jahre alten Mieterin, die seit 1974 in einer Dreizimmerwohnung in Berlin lebte, vom Eigentümer gekündigt. Dieser meldete Eigenbedarf an, da er zu diesem Zeitpunkt mit Frau und zwei Kindern nur in einer Zweizimmerwohnung lebte. Die Wohnung hatte er im Jahr 2015 mit der klaren Absicht der späteren Eigennutzung gekauft (7).
Die Mieterin widersprach der Kündigung mit dem Hinweis darauf, dass sie durch die lange Mietdauer in dem Berliner Stadtteil verwurzelt sei und ein Umzug dazu führen könne, dass sich ihre Demenzerkrankung verschlimmere. Die Demenzerkrankung führe dazu, dass sie sich in einer neuen Umgebung nicht zurechtfinden würde und ein Umzug gemäß Attest nicht zumutbar sei.
Die vom Vermieter angestrebte Räumungsklage wurde vom Berufungsgericht abgewiesen. Das Gericht stimmte zwar dem Eigenbedarf zu, sah aber in dem vorliegenden Härtefall genügend Grund, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden kann.
Halle (AZ VIII ZR 167/17)
Der zweite Fall wurde in der zweiten Instanz vor dem Landgericht Halle verhandelt. Die Mieter, seit dem Jahr 2005 in einer Doppelhaushälfte wohnhaft, erhielten im Jahr 2015 die Eigenbedarfskündigung. Hintergrund war, dass die geschiedene Frau des Vermieters, die bis dahin in Bayern lebte, in das Dorf zurückziehen wollte, um sich der Betreuung der Großmutter dort zu widmen.
Die Mieter widersprachen der Eigenbedarfskündigung aus zwei Gründen (8). Zum einen sei das Argument nur vorgeschoben, Kündigungsgrund seien vielmehr Unstimmigkeiten wegen Mängeln am Haus. Zum anderen pflegten die im Haus lebenden beiden Söhne den Mieter, dem Pflegegrad Zwei attestiert wurde. Die Krankheitsbilder lauteten Demenz, Schizophrenie, Alkoholismus, Inkontinenz und Abwehrverhalten gegenüber Pflegern.
Die beiden ersten Instanzen bejahten die Eigenbedarfskündigung, ohne allerdings eine Beweisaufnahme vorzunehmen. Die beklagten Mieter hatten ein Gutachten beantragt, um die Gefährdung des Gesundheitszustandes des Mieters zu belegen, welches allerdings nicht eingeholt wurde.
Eine unzumutbare Härte konnten die Richter ebenfalls nicht erkennen, da sich aus einem Umzug keine Gefahr für das Leben des Mieters ergab.
Die Urteile des BGH zur Kündigung wegen Eigenbedarfs
Der BGH hat beide Berufungsurteile aufgehoben und die Verfahren an die Vorinstanzen zurückverwiesen. Hintergrund war, dass die Härtefallprüfung in beiden Fällen nicht sorgfältig genug vorgenommen wurde. In beiden Verfahren wurden die im Grundgesetz verankerten Sachverhalte des Schutzes des Eigentums einerseits und die körperliche Unversehrtheit andererseits nicht ausreichend abgewogen.
Der BGH verwies darauf, dass gerade im Fall gesundheitlicher Beeinträchtigungen keine pauschale Sichtweise angemessen sei. Er sah die Richter vielmehr in der Pflicht, nicht nur aufgrund von „Gruppenbildung“ der Betroffenen ein Urteil zu fällen, sondern sich vielmehr mit regelmäßiger Sachkunde Dritter darüber zu informieren, welche gesundheitlichen Folgen ein erzwungener Umzug mit sich bringen könnte.
Der VIII. Senat des BGH verlangt, dass bei einem vorliegenden Attest grundsätzlich künftig ein zusätzliches Gutachten von Amts wegen erstellt werden muss.
Im Fall des Berliner Urteils bejaht der BGH zwar den Eigenbedarf, sah aber auf der anderen Seite auch den Vermieter in der Pflicht, da dieser wissentlich eine vermietete Wohnung erworben hatte. Dem Berufungsgericht hielt der BGH mangelnde Sorgfaltspflicht bei der Abwägung einer möglichen gesundheitlichen Verschlechterung der Beklagten vor.
Dem Hallenser Berufungsgericht hielt der BGH vor, dass das Urteil Rechtsfehler aufwies. Das Gericht berief sich ausschließlich auf die schriftlichen Ausführungen des Klägers, ohne Zeugenbeweise oder die geforderte Anhörung der Beklagten einzubeziehen.
Was können Mieter bei Kündigung wegen Eigenbedarfs tun?
Zunächst einmal sollten Mieter den Mieterschutzbund oder einen Fachanwalt kontaktieren. Immerhin regelt Paragraf 574 BGB das Widerspruchsrecht und Paragraf 573, Abs. 3 BGB lässt die Prüfung zu, ob die Kündigung ausreichend begründet wurde.
Dass der BGH bei strittigem Eigenbedarf urteilt, zeigt, dass Mieter sich auf einen langen Marsch durch die Instanzen gefasst machen müssen. Dies kostet nicht nur Zeit, sondern in erster Linie auch sehr viel Geld. Wer auf der sicheren Seite sein möchte, sucht sich eine Mietrechtsschutzversicherung oder eine eigene Immobilie.
Vor allem das Urteil bezüglich der Eigenbedarfskündigung in Halle macht deutlich, dass Mieter im Zusammenhang mit medizinischen Belangen künftig eine umfangreiche Prüfung des Sachverhaltes vor Gericht erwarten können.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesgerichtshof – Urteil des VIII. Zivilsenats vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15 –
(2) Bayerische Staatskanzlei – LG München I, Endurteil v. 07.10.2015 – 14 S 2969/15
(3) Deutscher Mieterbund – Irrtümer und Fallen BGH-Urteile Mietrecht DMB-Rechtsberatung 14.12.16 – 14:45 Uhr BGH bestätigt bisherige Rechtsprechung zum Eigenbedarf einer BGB-Gesellschaft und ändert Rechtsprechung, wenn eine Alternativwohnung im Haus leersteht
(4) Bundesgerichtshof – Urteil des VIII. Zivilsenats vom 4.2.2015 – VIII ZR 154/14 –
(5) BGB – § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
(6) Bundesgerichtshof – VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17
(7) BGB – § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
(8) BGB – § 574 Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung