BGH: Kein Schadensersatz nach Eigenbedarfsanmeldung von Vermieter für Immobilienkauf
In zwei Verfahren entschied der BGH am 09.12.2020, dass Mieter keinen Anspruch auf Ersatz der Maklerkosten nach einem Auszug aus der Mietwohnung aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens des Vermieters haben (Az. VIII ZR 238/18 und VIII ZR 371/18). Im ersten hier beschriebenen Fall musste ein Mieter aus der Wohnung ausziehen und kaufte daraufhin eine Immobilie, weil der Vermieter Eigenbedarf anmeldete. Da der Eigenbedarf letztendlich doch nicht geltend gemacht wurde, verlangte der ehemalige Mieter Schadensersatz in Höhe der Maklerkosten für seinen Immobilienkauf. Die Details zum Sachverhalt und dem BGH-Urteil können Sie hier nachlesen.
- Grundsätzlich können Mieter, die aufgrund einer Pflichtverletzung des Vermieters ausziehen, Schadensersatzansprüche geltend machen.
- Die Schadensersatzpflicht umfasse aber nicht die Maklerkosten beim anschließenden Kauf einer Immobilie nach dem Auszug aus einer Mietwohnung.
- Argumentation des BGH: Wohneigentum kann nicht mit dem Wohnen zur Miete verglichen werden.
- Meldete der Vermieter ursprünglich Eigenbedarf an und machte dies dann doch nicht geltend, besteht die Hinweispflicht des Vermieters über den nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Erster Sachverhalt (Az. VIII ZR 238/18)
Im Jahr 2012 war einem Mieter aus Berlin aufgrund Eigenbedarfs des Vermieters gekündigt worden. Daraufhin entschied er sich zum Kauf einer Eigentumswohnung.
Nachdem der ehemalige Vermieter die Wohnung tatsächlich aber nie zum Eigenbedarf nutzte, fühlte sich der Berliner betrogen und klagte auf Schadensersatz der entstandenen Maklerkosten in Höhe von fast 30.000 Euro wegen Verletzung der nachvertraglichen Treuepflicht des Vermieters.
Die Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht gab dem Kläger jedoch Recht. Das Gericht begründete die Entscheidung folgendermaßen: Der Vermieter sei nicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, sondern sogar bis zum Ablauf der im vorherigen Vergleich vereinbarten Räumungsfrist verpflichtet gewesen, den Mieter über den nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs in Kenntnis zu setzen. Weiterhin könne es keinen Unterschied machen, ob sich der Mieter dafür entscheide, eine andere Wohnung anzumieten oder Eigentum zu erwerben.
Zweiter Sachverhalt (VIII ZR 371/18)
In einem anderen Fall kündigte ein Stuttgarter im Streit mit seinem Vermieter die Wohnung fristlos. Auslöser war hier unter anderem das Betreten des Mietbalkons durch einen vom Vermieter beauftragten Handwerker, ohne das Einverständnis des Mieters.
Auch er entschied sich zum Kauf einer Immobilie, allerdings 250 Kilometer entfernt, und verlangte die circa 13.000 Euro hohe Maklerprovision vom ehemaligen Vermieter ersetzt.
Urteil und Argumentation des BGH
Der Bundesgerichtshof urteilte jeweils, dass die Schadensersatzpflicht des Vermieters bei Pflichtverletzung nicht so weit gehe, dass der ehemalige Mieter Maklerkosten für den Erwerb einer Immobilie geltend machen könne.
Hauptargumentation des BGH ist, dass beide Mieter nach dem Verlust des Mietbesitzes keine andere Wohnung angemietet, sondern eine neue Stellung als Eigentümer einer Immobilie erworben haben. Besitz und Eigentum unterscheiden sich laut BGH dahingehend, dass Eigentum ein Recht ist, welches der Person „grundsätzlich eine uneingeschränkte und eigenverantwortliche Nutzungs- und Verfügungsbefugnis (§ 903 BGB) gibt.“ Wohnt jemand zur Miete, sei sein Interesse die Erlangung eines lediglich zeitlich begrenzten Gebrauchsrechts. Wenn also Eigentum an einer Wohnung beziehungsweise an einem Haus erworben wird, verfolge diese Person andere Interessen zur Deckung des Wohnbedarfs, als zuvor.
Bei Schadensersatzansprüchen solcher Art müsse zwischen dem Schaden und dem verletzten Gebrauchserhaltungsinteresse des Mieters ein innerer Zusammenhang bestehen. Das treffe aufgrund der anders gearteten Rechtsposition hier nicht zu. Darüber hinaus könne zumindest im Stuttgarter Fall mit 250 Kilometern Entfernung nicht mehr von vergleichbaren Ersatzwohnraum gesprochen werden.
Die Klage des Berliner Mieters ist endgültig abgewiesen. Der BGH verneint nicht, dass es eine Pflichtwidrigkeit darstelle, wenn der Vermieter die Kündigung des Mietvertrags schuldhaft auf einen in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarf stütztbeziehungsweise er es unterlässt, den Mieter über den späteren Wegfall des Eigenbedarfs zu informieren.
Allerdings stellte der Bundesgerichtshof fest, dass diese Hinweispflicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestehe. Der BGH schließt sich somit nicht der Auffassung des Berufungsgerichts an, welches die Hinweispflicht bis zum Ablauf der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist annahm.
Der Stuttgarter Fall wurde an das Stuttgarter Landgericht zur erneuten Prüfung zurückgewiesen. Zwar seien die Maklerkosten definitiv nicht von der Schadensersatzpflicht des Vermieters umfasst, aber weitere eingeforderte Kosten für den Umzug, eine Übergangszeit in einer Zwischenunterkunft und den Um- und Wiedereinbau der Einbauküche stünden ihm möglicherweise zu. Für diese Schäden hat der BGH den gebotenen inneren Zusammenhang zur Vertragsverletzung bejaht.
Autor: Juliane Lohfink, Redaktion: Tina Mark
Veröffentlicht am 16.12.2020