Eine unklare Widerrufsfrist führt zur Unwirksamkeit eines Kreditvertrages
Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Az. 17 U 202/14
In den vergangenen Jahren gab es bereits mehrere Urteile zur Unwirksamkeit eines Widerrufs, wenn über den Beginn der entsprechenden Widerrufsfrist nicht bzw. unzulässig belehrt wurde. Auch das OLG Frankfurt hatte sich mit einem derart gelagerten Fall zu beschäftigen.
Es ging um die Frage, ob ein in der Widerrufsbelehrung vermittelter unklarer Beginn der Widerrufsfrist zur Unwirksamkeit der gesamten Belehrung führt – und ob damit ein Darlehensnehmer auch noch nach mehreren Jahren den Vertrag widerrufen kann (1). Hier der Sachverhalt im Detail:
Kunde nimmt Kredit für Fondsinvestment auf
Im Dezember 2003 hatte der Kläger einen Verbraucherkredit in Höhe von 11.000 Euro aufgenommen. Zweck der Darlehensaufnahme war die Finanzierung der Beteiligung an einem geschlossenen Fonds.
Da jedoch der Fonds über die Folgejahre nicht die erwartete Performance zeigte, entschloss sich der Investor Ende des Jahres 2013, den zehn Jahre zuvor geschlossenen Darlehensvertrag zu widerrufen.
Seine Begründung: Die Widerrufsfrist sei nicht in Gang gesetzt worden, da die Widerrufsbelehrung zum geschlossenen Darlehensvertrag mit der darin enthaltenen Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ fehlerhaft gewesen sei.
Nach Meinung der Bank sei diese Formulierung jedoch rechtens, weshalb sie den Widerruf bzw. die Rückabwicklung verweigerte. Daraufhin erhob der Darlehensnehmer Klage.
Mit dem 21.06.2016 hat der Gesetzgeber dem ewigen Widerrufsrecht oder dem sogenannten Widerrufsjoker ein Ende gesetzt. Ab diesem Zeitpunkt können fehlerhafte Widerrufsbelehrungen nur noch bis zu einem Jahr und 14 Tagen rückwirkend angefochten werden.
Folgende Ausführen beziehen sich daher auf einen vergangenen Fall in einer anderen Rechtssituation.
Erste Instanz bestätigt Widerruf
Zunächst wurde der Fall vor dem Landgericht Gießen verhandelt. Hier gab das Gericht der Klage statt und stellte fest, dass der Verbraucher den Widerruf habe erklären können, da die Widerrufsfrist mangels einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung auch nach zehn Jahren nicht zu laufen begonnen habe.
In diesem Zusammenhang betonte das Gericht, dass eine verspätete Geltendmachung des Widerrufs in diesem Fall nicht unzulässig sei, unabhängig von der Zeitspanne, die zwischen dem Ausspruch der Widerrufsbelehrung und dem des Widerrufs liegt. Diese Entscheidung wiederum akzeptierte die Bank nicht und legte Berufung gegen das Urteil ein.
OLG bestätigte Urteil zum Widerrufsrecht
In nächster Instanz kümmerte sich dann das OLG Frankfurt um den Fall. Doch auch hier hielt das Gericht die Widerrufsbelehrung für fehlerhaft. Man bestätigte somit die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung zurück.
Das OLG stellte fest: Eine Widerrufsbelehrung, die den Beginn der Widerrufsfrist ausschließlich auf die Aussage beschränkt: „beginnt frühestens mit dem Erhalt der Widerrufsbelehrung“, sei als nicht eindeutig und umfassend anzusehen. Insbesondere das Wort „frühestens“ wurde bemängelt.
Uneindeutige Formulierung ist der Schlüssel zum Widerruf
Hierdurch sei es dem Verbraucher nicht möglich, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Die Formulierung weise lediglich darauf hin, dass die Frist jetzt oder später beginnt und ist somit nicht näher definiert.
Dies widerspreche einer eindeutigen Benennung des Fristbeginns, wie sie gemäß den Deutlichkeitsbestimmungen zu formulieren ist. Insbesondere über die Umstände, welche Einfluss auf den Fristbeginn ausüben, würde der Verbraucher durch die getätigte Belehrung im Unklaren gelassen.
Somit sei die hier gerügte Widerrufserklärung fehlerhaft und die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden, so die Richter am OLG. Dies bringe auch den Umstand mit sich, dass der Verbraucher rund zehn Jahre nach dem Abschluss den Widerruf immer noch wirksam erklären könne.
Motivlage des Bankkunden unerheblich für Widerruf
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wendete der Rechtsvertreter des Kreditinstitutes ein, der Kunde habe seinen Widerruf ausschließlich aufgrund der enttäuschten Erwartungen hinsichtlich seiner Anlageentscheidung erklärt. Er habe damit ein völlig anderes Ziel erreichen wollen, als es das Widerrufsrecht bezwecke.
Doch auch diesen Einwand ließ das Gericht nicht gelten. Der Verbraucher habe kein Verhalten gezeigt, aus dem die Bank bei hinreichend objektiver Betrachtung erkennen könne, dass er sein Widerrufsrecht nicht mehr geltend mache.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Verwirkung der Ausübung des Widerrufsrechts