Vorfälligkeitsentschädigung bei Kündigung wegen Zahlungsverzugs
Urteil des Bundesgerichtshof – Az. XI ZR 103/15
Für den Fall, dass ein Darlehen vorzeitig durch den Kreditnehmer gekündigt wird, sehen fast alle Kreditinstitute eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung vor. Hierbei handelt es sich um eine Art Entschädigungszahlung, mit der das Kreditinstitut bzw. der Kreditgeber die ihm durch die vorzeitige Kündigung entgangenen Zinseinnahmen kompensieren möchte.
Somit steht fest: Die Vorfälligkeitsentschädigung wird immer dann berechnet, wenn der Kreditnehmer selbst das Darlehen vorzeitig kündigt bzw. die Darlehenssumme vorzeitig zurückzahlt.
Doch wie verhält es sich, wenn der Kreditnehmer in einen Zahlungsverzug gerät und das Kreditinstitut ihm daraufhin den Kredit vorzeitig kündigt? Zweifelsfrei handelt es sich hierbei um ein Verschulden des Kreditnehmers. Doch kann dieses Verschulden auch als Grundlage dafür herangezogen werden, eine entsprechende Vorfälligkeitsentschädigung zu fordern?
Eine besonders schwierige Frage, mit der sich der Bundesgerichtshof auseinanderzusetzen hatte. Es ging um folgenden Streitfall:
Sparkasse: Zahlungsverzug rechtfertigt eine Kündigung
Eine Kreissparkasse, in diesem Prozess die beklagte Partei, gewährte im Jahr 2004 zwei Kunden jeweils ein Darlehen, dessen Rückzahlungszeitraum bis zum 30. November 2016 angesetzt war.
Als Sicherheit für diese Darlehen diente unter anderem eine Grundschuld auf ein Grundstück, das im Eigentum einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts stand, welche sich wiederum aus einem der Darlehensnehmer und dem Kläger in diesen Prozess zusammensetzt.
Die beiden Darlehen wurden schließlich in den Jahren 2010 und 2011 durch die Kreissparkasse vorzeitig gekündigt. Als Grund dafür gab die Sparkasse einen länger anhaltenden Zahlungsverzug durch die Darlehensnehmer an.
Kläger zahlt Vorfälligkeitsentschädigung unter Vorbehalt
In diesem Zusammenhang stellte sie den Darlehensnehmern auch eine Vorfälligkeitsentschädigung in nicht unerheblicher Höhe für jedes Darlehen in Rechnung. Diese Vorfälligkeitsentschädigungen zahlte schließlich der Kläger, um eine Zwangsvollstreckung in das durch die Grundschuld belastete Grundstück abzuwenden.
Die Zahlung erfolgt allerdings nur unter Vorbehalt, d.h. der Kläger behielt sich eine Überprüfung des Grundes und der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung vor. Nachdem er sich mit dem Sachverhalt genauer auseinandergesetzt hatte, hielt er die Forderung der Vorfälligkeitsentschädigung für unrechtmäßig und klagte auf Rückzahlung des geleisteten Betrags.
Erste Instanzen geben der Sparkasse Recht
In den beiden ersten Instanzen hatte der Kläger mit seinem Begehren keinen Erfolg. Die Gerichte wiesen die Klage jeweils ab. Der Kläger ging jeweils in Revision, diese wurde schließlich vom Berufungsgericht am Bundesgerichtshof zugelassen.
Die Richter am BGH änderten das Urteil der Vorinstanz, also des zuständigen Landgerichts, dahingehend ab, dass die Sparkasse zur Rückzahlung von insgesamt knapp 25.000 Euro nebst Zinsen verurteilt wurde.
Der BGH gab also dem Kläger Recht und begründete seine Entscheidung damit, dass die Frage, ob ein Kreditinstitut einen sogenannten Nichterfüllungsschaden infolge einer vorzeitigen außerordentlichen Kündigung eines Kredites infolge Zahlungsverzuges geltend machen kann, im entsprechenden Paragraph 497 BGB nicht eindeutig beantwortet wird (2).
BGH kippt Vorentscheidungen
In diesem Zusammenhang stellte der BGH auch fest, dass im genannten Paragraph lediglich vorgeschrieben ist, dass ein Darlehensnehmer, welcher mit seiner Zahlungsverpflichtung in Verzug kommt, den geschuldeten Betrag samt eines festgelegten Verzugszinses zu zahlen hat.
Damit sei jedoch nicht die Frage zu beantworten, ob der Zahlungsverzugszinssatzes gleichzeitig eine Sperrwirkung für andere Schadensersatzforderungen mit sich bringe. Die Geschichte der Gesetzgebung sowie die Betrachtung des Sinn und Zweck der entsprechenden Vorschrift spreche jedoch für eine solche Sperrwirkung.
Der Verzugszins solle laut Meinung des Gerichtes eine einfache Berechnung der Mehraufwendungen im Verzugsfall ermöglichen und somit dafür sorgen, dass der Kreditnehmer dem Kreditgeber diese Mehraufwendungen entsprechend ersetze.
Vorfälligkeitsentschädigung trägt nicht zur Vereinfachung bei
Würde der Kreditgeber stattdessen eine festgelegte Vorfälligkeitsentschädigung berechnen, so werde die entsprechende Vereinfachung nicht erreicht und es könne nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden, ob die Vorfälligkeitsentschädigung und die Mehraufwendungen des Kreditgebers grundsätzlich gleichwertig seien.
Die Gegenseite wandte nun ein, dass die Rechtsauffassung des Gerichts eine Besserstellung von vertragsbrüchigen Kreditnehmern gegenüber vertragstreuen Schuldnern bewirke. Das Gericht wies diesen Einwand jedoch als nicht ausschlaggebend zurück.
Der Gesetzgeber habe dies bewusst in Kauf genommen, indem er bei Überführung des § 11 VerbrKrG (seit 01.01.2002 außer Kraft) in das Bürgerliche Gesetzbuch durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu einer Änderung der Rechtslage keinen Anlass gesehen habe (3).
Im Gegenteil: Der Gesetzgeber habe den Anwendungsbereich des § 497 Abs. 1 BGB sogar noch auf Immobiliendarlehensverträge ausgedehnt. Somit folgten die Richter am BGH den Ausführungen des Gesetzgebers.
Mögliche Konsequenzen dieses Urteils
Ein Kreditnehmer, dem der Kredit aufgrund des Zahlungsverzuges gekündigt wurde, muss keine Vorfälligkeitsentschädigung entrichten, während der Kreditnehmer, welcher seinen Zahlungsverpflichtungen immer nachkam und den Kredit vorzeitig zurückzahlen möchte, zur Zahlung dieser Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet ist.
Interessant wird sein, die zukünftige Entwicklung in derart gelagerten Fällen zu beobachten. Schließlich könnten findige Kreditnehmer nun auf die Idee kommen, eine drohende Vorfälligkeitsentschädigung einfach durch Nichtzahlung der Kreditraten und die anschließende Kündigung durch den Kreditgeber zu umgehen.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesgerichtshof – Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kündigung eines Verbraucherdarlehens infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers
(2) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 497 Verzug des Darlehensnehmers
(3) dejure.org – Zum Überblick über das frühere Verbraucherkreditgesetz (VerbKrG)