Widerrufsjoker bei Finanzierungsverträgen
Zum Thema Widerrufsjoker bei Finanzierungsverträgen gab es schon zahlreiche Urteile. Egal, ob für klassische Verbraucherdarlehen, Autokredite, Baufinanzierungen oder Leasingverträge. Immer dann, wenn die Widerrufsbelehrung fehlerhaft oder unvollständig ist, kann gegebenenfalls der sogenannte Widerrufsjoker gezogen und der gesamte Finanzierungsvertrag angegriffen werden.
Nachdem der Widerrufsjoker nach richterlicher Anordnung seit November 2016 außer Kraft gesetzt wurde, ist er März 2020 durch ein Urteil des EuGHs wieder ins Leben gerufen worden. Hier finden Sie eine kleine Übersicht!
- Widerrufsjoker ermöglichen es, einen Finanzierungsvertrag aufgrund einer fehlerhaften oder unvollständigen Widerrufsbelehrung zu kündigen.
- Sofern der Widerrufsjoker legitim ist, muss bei einer Kreditkündigung keine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt werden.
- In den letzten Jahren gab es immer wieder Urteile zum Widerrufsjoker. Ob auch Ihr Kreditvertrag betroffen ist, sollte im Zweifelsfall von einem Anwalt geprüft werden.
Widerrufsjoker und ihre Urteile
Die Vergangenheit zeigt, dass der Widerrufsjoker immer wieder ein Thema ist. Auch wir haben schon einige Urteile thematisiert:
- Widerruf von Autokrediten wegen mangelhafter Widerrufserklärung
- Widerruf von Baufinanzierungen wegen Passus zu Online-Vertragsabschluss
- Widerruf von Darlehensverträgen mit Rechtsschutzversicherung
Dieser Auflistung kann entnommen werden, dass beim Widerrufsjoker die Kreditart keine Rolle spielt. Vom einfachen Ratenkredit über Autofinanzierungen bis hin zum Immobiliendarlehen kann jeder Kreditnehmer betroffen sein. Wer die Widerrufsbelehrung in seinem Kreditvertrag auf Unstimmigkeiten hin geprüft hat, kann den Kreditvertrag ohne Nachteile kündigen. In bestimmten Fällen kann das besonders wichtig für den Kreditnehmer sein, man denke an den Dieselskandal. Viele Autokaufverträge und Finanzierungsverträge waren miteinander verkoppelt, sodass Betroffene nicht nur den Kreditvertrag streitig machen und rückabwickeln konnten, sondern außerdem den Kaufpreis ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung zurückbekamen, obendrauf sogar noch eine Zinsentschädigung.
Auch in der Coronakrise seit 2019 wäre es für einige Kreditnehmer existenziell, einen Kreditvertrag kündigen zu können. Wie gut, dass genau in dieser Zeit ein Urteil des EuGH gesprochen wurde, das den Widerrufsjoker nach langer Ruhephase wieder erweckt hat.
EuGH-Urteil vom 26.03.2020 (Az. C-66/19)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Brüssel entschied am 26. März 2020, dass eine Vielzahl von deutschen Kreditverträgen nicht den Voraussetzungen für eine ordentliche Widerrufsbelehrung entspräche.
Dem EuGH nach müsse dem Kreditnehmer deutlich ersichtlich sein, wie sich die Widerrufsfrist berechnet. Das war aber bei einer Vielzahl der geprüften Verträge nicht der Fall. Stattdessen verwiesen sie lediglich auf eine nationale Vorschrift, die ihrerseits wiederrum auf andere Normen verwies. Solche sogenannten Kaskadenverweise sind aber nicht ausreichend für eine eindeutige Widerrufsbelehrung, weshalb die Widerrufsbelehrungen und somit der gesamten Kreditverträge ungültig sind.
Konkret betroffen sind zahlreiche Verbraucherdarlehen, darunter auch Baufinanzierungen und Kfz-Leasingverträge, die zwischen Juni 2010 und März 2016 abgeschlossen wurden.
Autor: Tina Reisewitz
veröffentlicht am 16.04.2020
Quellen und weiterführende Informationen
- FAZ – Europäischer Gerichtshof bestätigt Widerruf von Darlehen
- Gansel Rechtsanwälte – EuGH Widerruf: Tausende Euro beim Kredit sparen